Wer kennt ihn nicht den Spruch, dass "es eine Minute braucht um Texas Hold'em zu lernen aber ein Leben lang um es zu meistern". Richtiges Geldmanagement ist in keinster Weise wie Texas Hold'em. Denn man kann es nicht mal so nebenbei lernen und sehr wenige beherrschen es irgendwann tatsächlich. Warum dann dieser Artikel? Es ist der Versuch euch ein grundsätzliches Verständnis des Bankrollmanagments zu geben und damit auf den richtigen Weg zu bringen.

Der richtige Umgang mit Geld ist eine Fähigkeit die man in allen Lebenslagen brauchen kann – es ist nichts, das nur in der Welt des Pokerns wichtig ist. Im normalen Leben setzt man sich normalerweise hin und gleicht sein Einkommen mit seinem Budget ab um innerhalb dieser Grenzen zu leben. Und wenn man doch mal etwas mehr braucht können sich die meisten von uns mal gelegentlich etwas leihen. Problematisch wird es erst dann, wenn die Ausgaben regelmäßig die Einnahmen übersteigen. So, wie es zur Zeit auch mit den Vereinigten Staaten ist – wenn das Geld das rausgeht größer ist als das, was wieder reinkommt hat man ein Defizit.

Mit ähnlichen Problemen müssen sich die Pokerspieler befassen. Glücklicherweise kann man dieses Problem in einzelnen Schritten lösen. Wenn ihr zu euch selbst ehrlich sein könnt, dann können wir weitermachen. Wenn nicht, dann habt ihr ein sehr großes Problem. Ich persönlich glaube, dass ihr nicht spielen solltet, wenn ihr nicht ehrlich zu euch selber sein könnt. Es ist eine Sache sich gegenüber Freunden mit seinen angeblichen Pokerfähigkeiten und der Größe der Bankroll zu brüsten und eine andere sich ständig Geld leihen zu müssen um überhaupt weiterspielen zu können.

1. Stufe – Korrekte Aufzeichnungen führen

Als erstes ist es zwingend erforderlich korrekte Aufzeichnungen über jedes Cash-Game und jedes Turnier zu führen, das man gespielt hat. Es muss sichergestellt sein, dass jeder Eintrag einen korrekten Ertrag hat. Wenn man z.B. ein $11 Rebuy NL Turnier spielt und 4 Rebuys + AddOn benötigt, dann ist ein $50 Gewinn auf einem 54. Platz tatsächlich ein Reinertrag von -$11 (50 – [11+[4×10]+10] oder eben 50-61). Oftmals "betrügen" sich Pokerspieler selbst, indem sie jedes ITM Ergebnis als Profit betrachten. Nochmal, dass sind deine privaten Aufzeichnungen und die müssen ehrlich und korrekt sein. Nur so kannst Du Dein Spiel korrekt einschätzen.

2. Stufe – Sein eigenes Spiel bewerten

Lasst einmal euer Ego zuhause und betrachtet die Aufzeichnungen ganz objektiv. Nehmt sie auseinander nach verschiedenen Kriterien (z.B. Art des Spiels, Buy-In etc.). Vielleicht stellst du fest, dass Du nie in Turnieren mit einem Buy-In von über $100 erfolgreich bist. Oder, dass du in 5% or 10% aller Turniere Geld gewinnst. Aber alle Bewertungen sollten nur auf der Basis der Zahlen gemacht werden. Die Tatsache, dass du in den letzten drei Jahren jedesmal auf der Bubble im WSOP Main-Event ausgeschieden bist weil jemand deine Asse mit 26o geknackt hat macht dich nicht zu einem schlechten Pokerspieler – aber sie ist für einen Verlust von $30.000 verantwortlich.

3. Stufe – Werde dir klar, warum du Poker spielst und überprüfe ob du diesem Ziel näher kommst

Du must in der Lage sein ganz ehrlich den Satz "Ich spiele Poker, weil …" vollenden zu können. Falls die Antwort lautet "weil ich Geld verdienen will", dann muß dein realer Gewinn positiv sein. Falls die Antwort ist "weil ich Spaß haben möchte", dann sollte man ein Budget für "Unterhaltung" in seinem Einkommen einplanen das diese Ausgaben abdeckt. Aber dazu später mehr. Falls die Antwort irgendetwas anderes außer "weil ich Geld verdienen will" ist, muß das Geld das man investiert dazu dienen dieses Ziel zu erreichen. Wen man also "Just-for-fun" spielt, aber jedesmal frustriert und genervt ist – dann hat man sein Ziel verfehlt. Wenn man sein Ziel verfehlt muß man vielleicht ein paar Bücher lesen um sein Spiel zu verbessern. Oder man macht einmal Pause. So oder so, wenn die Resultate nicht mit dem Ziel übereinstimmen muss man tun was nötig ist um das zu ändern. Kann oder will man das nicht sollte man aufhören zu spielen.

4. Stufe – Festlegen wie die Bankroll finanziert wird

Falls man regelmäßig Geld verliert und nur zum Spaß spielt ist das o.k. – sofern man einen Job hat der einem ein regelmäßiges Einkommen bringt und man entsprechend Geld für solche Ausgaben übrig hat. Wenn man nur zum Spaß spielt, 25 Jahre alt ist, bei bei den Eltern wohnt und sich regelmäßig Geld leihen muß um sich was ordentliches zum Essen leisten zu können, hat man ein ernsthaftes Problem. Denn dann hat man eben nicht genug um seine Spaß-Bankroll zu finanzieren. Dieser Tatsache kann nicht deutlich genug ausgesprochen werden: Wenn man Geld fürs Spielen ausgibt, das man für andere Zwecke benötigt oder sich Geld leiht um damit zu spielen, dann hat man ein ernsthaftes Problem und benötigt Hilfe! Alle Freizeitspieler mit einem korrekten monatlichen Budget oder Profis mit einer entsprechend großen Bankroll sollten jedoch weiterlesen.

5. Stufe – Das richtige Level finden

Stufe 5A – Amateure die nur zum Spaß spielen
Wenn Du nur zum Spaß spielst aber regelmäßig verlierst solltest du dir dein Einkommen genau ansehen und entscheiden, wieviel du jeden Monat ausgeben kannst ohne das es dir wehtut. Nehmen wir einmal an es sind $100/Monat. Als nächstes entscheidet man wie oft man spielen möchte (z.B. einmal pro Woche). Unabhängig von den tatsächlichen kurzfristigen Ergebnissen sollte man dann Turniere mit Buy-Ins von max. $25 spielen. Und solange man nicht auf längere Sicht (mind. 1 Jahr) genug gewinnt sollte man daran auch nichts ändern. Falls man z.B. $12.000 gewinnt und das Geld nicht für andere Dinge benötigt hat sich die langfristige Aussicht geändert. Nun kann man zumindest für ein Jahr auch $1.000/Monat für das Pokerspiel ausgeben. Aber solange man nicht wenigstens das 100fache des monatlichen Budgets gewinnt sollte es nichts am Spiellevel ändern.

Stufe 5B – Amateure die Geld gewinnen wollen
Ich würde mich selbst in diese Kategorie einordnen. Wenn du einen regulären Job hast und herausfindest, dass du langfristig beim Pokern gewinnst, gehörst du ebenfalls in diese Kategorie. Als allererstes sollte man sich für Poker eine separate Bankroll beiseite legen. Nehmen wir einmal an man hat sich $10.000 beiseite gelegt. Als nächstes ist zu klären wieviel man monatlich investieren kann. Wenn man beispielsweise 5x pro Woche spielen möchte macht das bei 50 Wochen im Jahr 250 Sessions. D.h. man kann $40 pro Session einplanen (40×250 = 10.000). Und wenn man in einem größeren Event spielen möchte, kann man ein Satellite in dieser Größenordnung spielen. Oder man definiert eines oder mehrere seiner Turniere als "Satellites" und legt die Gewinne daraus für diesen Zweck beiseite. Aber so oder so kann man sein Budget nicht ignorieren und sich selbst einreden das man eine zu kleine Bankroll mit ausreichend persönlichen Fähigkeiten wettmachen kann. Wenn man sein Budget definiert hat muß man sich daran halten – das ist die Grundlage von korrektem Geldmanagement.

Stufe 5C – Profis die Geld gewinnen wollen
Falls man keinen anderen Job außer dem Pokerspiel hat und auf lange Sicht ein Gewinner ist gehört man in diese Kategorie. Grundsätzlich ist die Situation dieselb wie in 5B – mit einem großen Unterschied: Man hat keine Bankroll abseits von dem Geld, das man zum Leben braucht. Alle Ausgaben müssen durch das Pokerspiel finanziert werden. Bevor man überhaupt über sein Spiellevel nachdenken kann muß man mind. Lebenshaltungskosten für 6 Monate beiseite legen. Wenn das nicht geht sollte man sich lieber einen anderen Job suchen. Jeder noch so erfolgreiche Pokerspieler hatte auch mal Zeiten in denen er über Monate hinweg verloren hat. Und wen man genug beiseite legen kann sollte die Bankroll immer noch groß genug sein um in einem Level zu spielen, dass groß genug ist die Ausgaben zu decken und gleichzeitig die Bankroll zu vergrößern. Mathe-Experten haben ausgerechnet das sich diese Bankroll im sechsstelligen Bereich bewegen sollte.

Jetzt kommt also der mathematische Teil. Die Berechnung ist unterschiedlich, ob man Turniere oder Cash-Games spielt. Cash-Games können speziell für diejenigen mit geringer Disziplin sehr gefährlich sein. Die größte Gefahr ist dabei, dass man sich immer wieder neu einkaufen kann. Theorethisch ist es daher möglich seine ganze Bankroll in einer einzigen Session zu verlieren. Um dieses Fiasko zu vermeiden muß mansich sehr diszipliniert an die folgende Formel halten (unabhängig von den kurzfristigen Ergebnissen).

Die wichtigste Regel ist es niemals mehr als 5% der Bankroll in einem einzigen Spiel zu riskieren – egal wie profitabel das Spiel zu sein scheint. Klar, auf lange Sicht gewinnt man von dem Fisch im $50/$100 Blinds NLH Spiel viel Geld. Aber eine unglückliche Session kann einen vernichten. Ohne Bankroll keine weiteres Spiel. Und dann gibt es kein "auf lange Sicht" mehr. Du bist erledigt.

Als nächstes muß man definieren wieviel Geld man im Durchschnitt jeden Tag gewinnen muß um sowohl die Ausgaben zu decken als auch die Bankroll zu vergrößern. Wenn man z.B. Ausgaben von $3000/Monat hat und man monatlich 300 Stunden spielt, dann braucht es mindestens $10/Stunde um alleine die Ausgaben zu decken. Wenn man dann noch weiter $10 zur Vergrößerung der Bankroll dazurechnet sind es schon $20/Stunde. Nach Expertenmeinung kann man im Durchschnitt etwa 1-2 Big Blinds / Stunde erzielen. Daher könnte man dieses Ziel also mit einem $10/$20 oder $15/$30 Limit Spiel erreichen. Allerdings braucht man dafür auch eine Bankroll, die die kurzfristigen Swings überstehen kann. Und dafür sollte man nach allgemeiner Ansicht wenigstens 1.000 besser 2.000 Big Blinds als Bankroll zur Verfügung haben.

Bei Turnierspielern sind diese Swings noch viel größer. Eric Seidel hat es auf den Punkt gebracht, als er sagte "Ich gehe an 100 Tagen zur Arbeit und an 99 von ihnen komme ich mit nichts nach Hause". Es ist schon schlimm für seine Arbeit nicht bezahlt zu werden, aber noch schlimmer ist es dafür zu bezahlen um überhaupt arbeiten zu dürfen. Ich bin fest davon überzeugt, das reine MTT-Turnierspieler den härtesten Weg gewählt haben um beim Poker Geld zu verdienen. Meine persönliche Empfehlung ist es auch SNGs zu spielen und (wenn man damit erfolgreich ist) diese regelmäßig zu spielen um das Einkommen etwas stetiger zu gestalten. Wer sich für reines MTT Spiel entscheidet muß viel mehr Geld beiseite legen als ein Cash-Game Profi. Ich würde empfehlen wenigstens die Lebenshaltungskosten für ein ganzes Jahr zur Verfügung zu haben. Dazu eine Bankroll des wenigstens 1.000fachen des durchschnittlichen Buy-Ins.

6. Stufe – Fehler vermeiden

Egal ob das eigene optimale Level nun Freerolls und $1 MTTs oder $50/$100 NLHE ist, es gibt immer genügend Wege Fehler zu machen. Jedesmal, wenn man sich an den Tisch setzt, sollte man sich fragen "Warum spiele ich?". Und wenn die Antwort nicht dieselbe wie sonst ist sollte man eine Schritt zurücktreten und bis 10 zählen. Wir haben alle schon einmal das Gefühl kennengelernt wie es ist wenn man es mit Gewalt versucht um sich (z.B. nach einem Bad Beat oder großen Verlust) abzureagieren. Klar, manchmal hilft es auf diese Weise wieder runterzukommen. Aber dann bitte in einem Freeroll oder mit einem Buy-In das maximal ein zehntel des normalen Buy-Ins ist. Manchmal reicht es schon $2 in einem $0,10/$0,20 Spiel rauszuhauen. Man muß nur sicherstellen, dass es dann auch dabei bleibt. Vielleicht ist es auch besser einfach rauszugehen und ein Eis zu essen oder ein Bier zu trinken.

Auf der anderen Seite, wenn es gut läuft nutze die Chance um diese gute Phase auszunutzen. Es ist nichts dagegen einzuwenden in dieser Zeit auch mal einen Versuch auf ein Spiel mit höherem Buy-In zu wagen. Es darf nur nicht zu einem regelmäßigen Verhalten werden. Außerdem sollte man es nur mit wirklichen Profiten machen (vorher am besten wenigstens einen Teil des Profits beiseite legen) und man egal wie es ausgeht danach wieder zu seinem ursprünglichen Level zurückgehen.

Letztendlich muß man auch in der Lage sein sich und seine Ergebnisse ehrlich zu betrachten und Warnzeichen rechtzeitig zu erkennen. Gewinnt man beim Poker um es bei anderen Spielen wieder zu verlieren? Gewinnt man tatsächlich oder zwingt einen das Ego sich selber anzulügen? Hast Du letzten Monat $10.000 gewonnen und dann festgestellt, dass sie auf "mysteriöse" Weise verschwunden sind?

Ich spiele verschiedene Arten von Poker seit über 25 Jahren. Als ich vor 20 Jahren angefangen habe korrekte Aufzeichnungen zu führen hatte ich nie mehr ein Jahr in dem ich verloren habe. Ich konnte mir mit meinen Gewinnen eine Anzahlung für ein Haus leisten, zwei Autos kaufen und meine Frau bekommt jedes Jahr ein sehr teures Geschenk als Dankeschön, dass sie es mit meinem "Hobby" aushält. Wann immer mich jemand fragt ob ich ein Glücksspieler bin, antworte ich: "Nein, ich bin nur ein Pokerspieler".